KLEINE
NÄHRSTOFFKUNDE
Herausgeber: HiLife (Extension) e.V. 61420 Oberursel
Vorbeugende und therapeutische Dosierung
Der moderne Mensch hat über Jahrhunderte hinweg seinen Input
(Nahrung) in geradezu fahrlässiger Weise vernachlässigt, seinen Output
(Leistung) hingegen ständig erhöht. Diese einseitige Rechnung ging nicht
auf. Sie konnte gar nicht aufgehen. Die Folgen dieses Raubbaus wurden
sehr lange Zeit übersehen - was auch nicht verwundert: Denn wenn man
kaum etwas über die Qualitäten seines Inputs weiß, kann man auch kaum
den Zusammenhang zu den Spätfolgen erkennen. Zumal diese Folgen erst
spät, manchmal sehr spät auftreten. Bei vielen Krankheiten liegen Jahre,
sogar Jahrzehnte zwischen Ursache(n) und Folge(n), so dass zuverlässige
Rückschlüsse kaum noch möglich sind.
Viel zu lange definierte der Mensch seine Nahrung hauptsächlich über
Proteine, Fette und Kohlenhydrate, wobei sich die Aufmersamkeit vor
allem auf die Kalorien richtete. Vitamine und Spurenelemente kamen zwar
auch hin und wieder ins Gespräch, aber es blieb sehr lange unklar, welche
Funktion(en) sie haben. Erst in den letzten Jahren entdeckten Wissenschaftler
dank verbesserter chemischer Analysemethoden, woraus Nahrung
wirklich besteht. Inzwischen wird eine Substanz nach der anderen
wissenschaftlich "entdeckt" und erklärt.
Kohlenhydrate, Fette und Proteine sind die groben "Backsteine", aus
denen das Grundgerüst eines Organismus besteht. Die
Lebensmittelinhaltsstoffe wie Vitamine, Mineralien, Bioflavone, sekundäre
Pflanzeninhaltsstoffe und so weiter bilden dabei gewissermaßen den
Zement. Die Qualität einer Mauer hängt vom Zement ab ...
Stoffwechselvorgänge sind im Prinzip nichts anderes als chemische
Reaktionen. Die Natur geht dabei zwei Wege, auf die wir hier nur am
Rande eingehen wollen: Im ersten Fall verbinden sich zwei
Reaktionspartner aufgrund ihrer gegensätzlichen Ladung, also zum
Beispiel ein positiv geladenes Natrium(ion) mit einem negativ geladenen
Chlor(ion). Diese Reaktion verläuft moderat. Im anderen Fall haben wir
es mit Reaktionspartnern gleicher Ladung zu tun. Diese Reaktionen
verlaufen wesentlich heftiger, wie zum Beispiel bei Verbindungen zwischen
Chlor-Atomen. Im letzteren Fall haben wir es mit Freien Radikalen zu tun.
Freie Radikale reagieren, wie der Name bereits vermuten lässt, recht
ruppig. Die Bindungswut von Freien Radikalen ist so groß, dass sie
buchstäblich mit allem, was sich ihnen nähert, eine chemische Reaktion
eingehen. Diese Wahllosigkeit kann schwerwiegende Folgen haben.
Beispiel: Nehmen wir an, ein Chlor-Radikal befindet sich in einer
Körperzelle. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es
mit einer empfindlichen organischen Struktur wie zum Beispiel einem
Protein eine Verbindung eingeht. Dieses Protein wird dadurch verändert
und "denaturiert"; es ist nicht mehr verwertbar und schwimmt als
"Sondermüll" in der Zelle herum. Gleichzeitig wird dieses Protein
selbst zum Freien Radikal und attackiert seinerseits andere organische
Strukturen. Es entsteht eine Kettenreaktion mit fatalen Folgen.
Antioxidantien haben nun die Aufgabe, diese ständig stattfindenden
"bösartigen" Reaktionen zu kanalisieren oder zu stoppen. So "opfert"
beispielsweise ein Vitamin sein Elektron an das Chlor, ohne dabei selbst
zum Freien Radikal zu werden. Es hat das Chlor entschärft, ist dadurch
jedoch selbst unbrauchbar geworden.
Wir wissen heute, dass der Mensch eine gewisse Anzahl von bioaktiven
Stoffen benötigt, um diese krank machenden Freien Radikale beseitigen
zu können. Allerdings weiß man noch immer nicht genau, wie viele
Substanzen dies exakt sind und in welcher Dosierung sie gebraucht
werden.
So hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) 75 Milligramm
Vitamin C täglich für absolut ausreichend. Der amerikanische
Wissenschaftler und Nobelpreisträger Linus Pauling
(1901-1994), der
immerhin ein gesegnetes Alter von 93 Jahren erreichte, empfahl hingegen
mindestens 6 bis 18 Gramm Vitamin C täglich - also die 200fache
(!) Dosis. Die Angaben der Vitaminforschung liegen zwischen 500 mg und
3 g (und mehr).
Ähnlich verhält es sich für viele andere Stoffe.
Das "richtige" Produkt
Für fast jede in dieser Broschüre genannte Substanz und/oder
Substanzkombination gibt es verschiedene Fertigprodukte im Handel. In
den USA und einigen europäischen Ländern werden diese Stoffe in
Vitamingeschäften, Versandhäusern und Supermärkten frei verkauft. Im
deutschen Raum hat man hingegen mit dem Handicap zu kämpfen, dass
sie - rein juristisch gesehen - als "Medikamente" gelten. Damit sind sie
zulassungs- und apothekenpflichtig, was in letzter Konsequenz bedeutet,
dass sie - solange dieses Gesetz gilt - nicht auf den Markt kommen
werden.
Der interessierte Konsument wird sich zwangsläufig im Ausland
orientieren, und da gelten oft ganz andere Kriterien. Nahrungsergänzungen
aus Nachbarländern wie Dänemark oder den Niederlanden dürfen höher
dosiert sein, als in Deutschland erlaubt ist. Die Anforderungen an die
Qualität können mit deutschen Kriterien für frei verkäufliche Arzneien
gleichgesetzt werden - und die sind dehnbar. Produkte aus den USA
unterliegen jedoch ganz anderen Gewährleistungen, als man in
Deutschland gewohnt ist.
- Nahrungsergänzungen werden in den USA als Lebensmittel gesehen
und unterliegen daher nicht der gleichen staatlichen Überwachung, wie
dies bei echten Arzneien üblich ist.
- Dafür ist die Produkthaftung amerikanischer Hersteller wesentlich
rigider als in Deutschland. (Dass man die Tabakkonzerne wie in den
USA zur Rechenschaft zieht, scheint hier undenkbar)
Im Klartext: Ob ein US-Produkt wirklich das hält oder enthält, was
angepriesen wird, steht in den Sternen. Die Sicherheit dieser Produkte ist
jedoch hoch, weil jeder US-Hersteller um seine schier unbegrenzte
Haftung weiß. In Deutschland verhält es sich im Wesentlichen umgekehrt.
Im konkreten vergleichbaren Produktfall kann der Konsument bei einem
deutschen oder europäischen Produkt relativ sicher sein, dass es enthält,
was auf der Verpackung steht. Sollten ihm davon jedoch die Haare
ausfallen, darf er mit einer lauwarmen Entschädigung rechnen. Bei einem
US-Produkt darf er nicht unbedingt damit rechnen, dass es enthält, was
auf der Verpackung steht, dafür ist er ein gemachter Mann, wenn ihm die
Haare davon ausfallen.
Der HiLife e.V. sieht - wg. der ausreichenden Dosierung - vor allem in
den US-Produkten einen Sinn, weiß jedoch gleichzeitig, dass diese von
einwandfreien Herstellern sein sollten. Siehe auch Basismikronährstoffe.
Künstlich oder natürlich?
Die teilweise mit einer verbiesterten Vehemenz geführte Diskussion
darüber, ob natürliche Substanzen den künstlichen vorzuziehen sind,
leidet von vorneherein unter einem schwammigen Sprachgebrauch und
waberigen Definitionen. Hierbei werden exakte Begriffe aus der Chemie
oder Pharmazie in unzulässiger Weise verallgemeinert oder gar völlig
unsinnig gebraucht.
- Das Wort künstlich hat viel mit Kunstwerk zu tun, also einer Sache, die
es in dieser Form, in diesem Umfeld in der Natur nicht gibt. Ganze
Landschaften sind künstlich angelegt, dennoch wird wohl kaum jemand
alleine deswegen von einer Kunstlandschaft sprechen. Insgesamt ist dieser
Begriff nicht eindeutig definiert, die Wissenschaft lebt jedoch von der
Genauigkeit.
- Der Begriff synthetisch wird in der Regel mit künstlich gleichgesetzt, ist
jedoch eindeutiger belegt und umschreibt praktisch immer einen Stoff oder
Vorgang, den es in dieser Form in der Natur nicht gibt. Typisch dafür sind
synthetische Kleiderstoffe (Diolen, Polyester usw.).
- Aber: Synthetisiert der Chemiker etwas, dann ist damit das
Zusammenfügen verschiedener Substanzen gemeint; im engeren Sinne
handelt es sich bei diesen Stoffen um natürliche Elemente, im weitesten
Sinne können jedoch auch Moleküle gemeint sein. Es lässt sich daraus
nicht ablesen ob die jeweils gemeinte Synthese ein natürlicher oder
unnatürlicher Prozess ist.
In der aktuellen Auseinandersetzung werden die Begriffe synthetisch und
künstlich gleichgesetzt. Grundsätzlich stehen wir auf dem Standpunkt, dass
natürliche Substanzen den künstlichen vorzuziehen sind. Es ist sogar die
Frage, ob der Mensch überhaupt synthetische Substanzen in Massen
herstellen sollte, da deren (Wechsel-)Wirkungen und ökologische Folgen
nicht überschaubar sind. Letztendlich fingert man damit in einem
Jahrmillionen alten chemischen Gleichgewicht herum und hat keine
Ahnung von den langfristigen Effekten.
- Dennoch ist ein Naturprodukt deswegen noch lange nicht harmlos oder
gar per Definition gesund. Auch Arsen, Fliegenpilz und Kolibakterien sind
Naturprodukte.
- Andererseits gelten manche Naturprodukte wie z. B. Hormone als
unnatürlich - was ebenfalls Unsinn ist.
Die gegenwärtige Polarisierung von künstlich oder natürlich geht allzu oft
an der Sache vorbei und folgt lediglich dem derzeitigen Modetrend.
"Bio", "Öko" und "Natur" verkauft sich nun mal gut und etliche Produkte
sind bereits so ökologisch, ökologischer gehts nicht mehr ...
So ist die häufige Frage, ob "natürliche Vitamine" den "künstlichen"
vorzuziehen sind, unklare Begriffe - und jede Beantwortung geht daher
haarscharf an der Sache vorbei. Der Unsinn, der mit den Terminologien
betrieben wird, grenzt teilweise an bewusste Irreführung. Letztendlich
werden klare Begriffe ideologisch "verbastert" - was leider alte Tradition
hat - um angebliche Qualitäten zu unterstreichen, die in der Form nicht
existieren.
Vitamine sind ein Naturprodukt, wie eine Kartoffel auch. Ein sythetisches
Vitamin entspräche einer synthetischen Kartoffel - und was bitte soll das
sein? Künstliche Mineralien, wie z.B. Selen, wären sogar ein göttliches
Wunder, weil der Mensch (bis dato) keine Elemente herstellen kann.
Aber es gibt durchaus Unterschiede im Herstellungsverfahren (bzw.
Aufzucht der Kartoffel) die möglicherweise zu unterschiedlichen
Wirkungen führen. Grundsätzlich aber handelt es sich bei allen
Lebensmitteln - egal ob Kartoffel oder Vitamine - um natürliche
Substanzen, also Stoffe, wie sie auch von der Natur verwendet werden.
Natürliche Moleküle sind z.B. das Vitamin C oder das Hormon Östrogen,
aber auch giftiges Arsen und andere Schwermetalle wie Blei und
Cadmium sind natürliche Substanzen.
Der Mensch ist jedoch in der Lage Moleküle (nicht Atome) herzustellen,
die es in der Natur so nicht gibt. Nur diese Moleküle verdienen die
Bezeichnung künstlich oder synthetisch. Dann aber bekommen die
Moleküle auch einen Kunstnamen, eine mehr oder weniger willkürliche
Wortschöpfung.
Im Bereich der Textilien hat der Mensch sich mittlerweile an die diversen
Bezeichnungen gewöhnt: Baumwolle ist Natur, Diolen ist Kunststoff.
Beide haben Vor- bzw. Nachteile, Mischungen sind gang und gäbe - und
über die immense Palette weiterer Substanzen in Textilien ist damit nichts
gesagt.
Da es sich bei synthetischen Produkten um eine eigene Erfindung handelt,
kann man sie patentieren lassen und wird damit für die Industrie
interessant. Ob die synthetische Substanzkreation (z.B. Medikament)
mehr schadet als nutzt wird bei der Patentvergabe nicht hinterfragt.
Insofern sind Hinweise auf Patente generell Null-Aussagen.
In vielen Fällen ist eine exakte Abgrenzung zwischen künstlich oder
natürlich schwer. Bei der bekannten Acetylsalicylsäure (ASPIRIN)
wurde ein natürliches Acetyl (Essig) mit einem natürlichen Salicyl (Birke)
gekoppelt. Zwar handelt es sich bei den Einzelbestandteilen um
Naturprodukte, aber das fertige Molekül gibt es in dieser Form in der
Natur nicht.
In letzter Konsequenz ist jede Haushaltsküche eine Art Labor, in der die
ursprüngliche (molekulare) Form von Nahrungsmitteln verändert wird.
Um dennoch eine Unterscheidung zu ermöglichen, definiert man
"künstliche Moleküle" in aller Regel als Substanzen, die man gezielt in
ihrer Form verändert hat (um z.B. in den Genuss des Patentrechts zu
kommen).
Nun gibt es bestimmte Verfahren, um diese oder jene natürliche Substanz
zu gewinnen. So kann man Vitamin C aus Obst synthetisieren oder aus
Glucose herstellen. Der Kostenunterschied ist gewaltig, dennoch erhält
man in beiden Fällen identische Moleküle Vitamin C. Würde man das
reine Vitamin C einer Zitrone neben das Vitamin C aus dem
Glucoseverfahren legen - es wäre kein Unterschied feststellbar, weder im
Aussehen noch in der Wirkung. Wohl aber im Preis.
Was in Wahrheit oftmals verglichen wird, ist reines Vitamin C und Vitamin
C mit Begleitstoffen (Flavonoide). Hier vergleicht man Kühe mit Kälbern.
Da die Wirkung der Flavonoide auf Vitamin C durchaus allgemein
bekannt ist - es steigert deren Bioverfügbarkeit um ein Vielfaches -, fügen
manche Hersteller die Bioflavonoide dem reinen Vitamin C wieder zu.
Im Nebensatz: Mit "natürlichem" Vitamin C, wie z.B. in Acerolaprodukten,
könnte man den heute empfohlenen Bedarf kaum decken, denn es enthält
lediglich ca. 7% Vitamin C (oft wird noch "synthetisches" Vitamin C
hinzugefügt) - und ist teuer.
Entscheidend dürfte der Umstand sein, dass es bisher keinen handfesten
Beweis dafür gibt, dass der Organismus einen Unterschied zwischen
"natürlichem" oder "synthetischen" Vitamin C macht. Jedenfalls so lange man von reinem Vitamin C spricht.
Vergleicht man hingegen die verschiedenen Verfahren der
Vitamin-E-Gewinnung, dann sind Qualitätsunterschiede, die sich
physiologisch auswirken, feststellbar. Vitamin E besteht aus nur drei
Elementen, nämlich Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff. Im
räumlichen Aufbau hat dieses Vitamin jedoch eine Vielfalt, die gar nicht
mehr in Worte gefasst werden kann: Von mehreren Milliarden
Vitamin-E-Molekülen ist keines wie das andere. Bei der einen
Herstellungsart sind alle Vitamin-E-Moleküle gleich; bei einem anderen
Verfahren entsteht die auch in der Natur vorkommende Vielfalt. In
diesem Fall wurde ein Unterschied in der Wirkung festgestellt.
Aber alles andere als eindeutig: Denn mal wirkt das "gleichförmige"
Molekül besser, mal das "vielfältige".
Auf den Punkt gebracht, ist es eine pure Verkaufsmasche, wenn man mit
den Begriffen "natürlich" oder "biologisch" so umgeht, als ob sie für sich
schon Qualität verheißen würden. Suggeriert wird dabei die angebliche
Überlegenheit nicht-industrieller Produkte. Das ist - sorry -
Kundenverarschung, denn praktisch alles wird industriell bearbeitet.
Andernfalls könnte es sich kein Mensch mehr leisten.
Es ist vergleichbar mit der Joghurtherstellung. Niemand wird ernsthaft
behaupten, dass Joghurt ein Kunstprodukt ist, obwohl in den
Verkaufsregalen viele verschiedene Sorten angeboten werden und alle
industriell gefertigt sind.
Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen beziehen sich übrigens
auf die "einfache" industriell gefertigte Substanz, in der bei
den Krankenhäusern/Instituten üblichen, pharmazeutischen (reinen)
Qualität. Natürlich wird dabei gelegentlich festgestellt, dass diese oder
jene Darreichungsform (zum Beispiel Ascorbinsäure und Flavonoide) der
Monosubstanz überlegen ist. Dennoch beruhen die Erkenntnisse der
Mikronährstoff-Forschung fast ausnahmslos auf industriell gefertigen
Substanzen - allein schon aus Kostenerwägungen. Vitamine, die man
z.B. aus Obst extrahiert ("natürlich"), sind nämlich teilweise extrem teuer
oder gar mit Vorsicht zu genießen. So enthalten bestimmte ölige Extrakte
zwar viel Vitamin E, aber die ölige Basis neigt zur (Auto-) Oxidation,
wodurch das Produkt möglicherweise eher schadet als nützt.
"Natürliches" Vitamin C ist in Reinform extrem teuer, als Extrakt (z.B.
Acerola) zwar preiswerter, aber immer noch kostbar. Hinzu kommt,
dass vor allem natürliche Substanzen oftmals verunreinigt sind. Zwar
überwacht der Staat bestimmte Grenzwerte, aber sie beziehen sich auf
deutsche Dosierungsempfehlungen.
Die Verunreinigungen von preiswertem Vitamin C (oft ausländische
Importe) bewegen sich zwar innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen,
aber man geht dabei von der DGE-Dosis-empfehlung (75 mg/täglich) aus.
Folgt man den modernen Empfehlungen (3.000 - 15.000 mg), dann sieht
das schon anders aus.
Die Unterscheidung nach künstlichen oder natürlichen Vitaminen ähnelt im
Regelfall einer Diskussion über einen schwarzem Schimmel. Vor allem im
Bereich der sekundären Pflanzeninhaltsstoffe (Heilpflanzen;
Gemüsekonzentrate) wird man sogar vergeblich nach "künstlichen"
Produkten suchen. Man kann sie entweder überhaupt nicht "künstlich"
herstellen oder nur mit enorm viel Aufwand.
Fazit: Bereits die Frage, ob natürliche Nährstoffe den "synthetischen"
vorzuziehen sind, ergibt - außer bei Vitamin E - keinen Sinn. Bezieht man
sich auf das Herstellungsverfahren, dann lässt sie sich nicht allgemein
beantworten und muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Biologisch
Auf einer anderen Ebene bewegen sich z.B. Gemüse aus biologischem
Anbau. Zwar bleibt auch hier die Kartoffel eine Kartoffel, also ein
Naturprodukt, aber die unterschiedliche Behandlung führt zu anderen
Qualitäten, sowohl des Produktes selbst als auch bezüglich des
ökologischen Kreislaufs.
Allerdings sind auch hier eindeutige Aussagen schwierig. So unterscheidet
sich die Bio-Kartoffel möglicherweise nur geringfügig von der Kartoffel
des konventionellen Anbaus, wenn man sich auf herkömmliche Parameter
(wie Trockensubstanz, Eiweißanteil, Vitamingehalt, Nitratgehalt usw.)
beschränkt. Das ändert sich jedoch, wenn man andere Werte wie z.B.
die Energiewerte miteinander vergleicht. Biokost zeichnet sich durch
höhere Reduktionskapazitäten aus, d. h. sie enthalten mehr energiereiche
Elektronen.
Fazit: Begriffe wie "Bio" und "Natur" werden derzeit sehr oft
missbräuchlich genutzt und sind für sich gesehen noch keine
Qualitätsgarantie. Dies ist nicht zu verwechseln mit den aufwendigen
Bemühungen von Organisationen wie z.B. Demeter, um u.a. die
Belastung von Lebensmitteln mit Umweltgiften zurückzudrängen. Diese
Lebensmittel tragen einen zusätzlichen Hinweis auf der Verpackung.
Natur über alles?
So sanft sich die Naturheilmethoden oder ganzheitliche Medizin auch
gibt - im Umgang mit der Natur hapert es. So wird gerne übersehen,
dass deren Protagonisten vor lauter "Natur" zum Raubbau anstiften.
Manche Produzenten betonen sogar die Überlegenheit ihrer wild
wachsenden Rohstoffe und ignorieren, dass der steigende Bedarf der
industriellen Nationen schon längst zur Gefährdung mancher Art geführt
hat. Wilder Ginseng gilt in Nordkorea bereits als bedrohte Art. Die Zahl
der Moschushirsche ist drastisch zurückgegangen (Moschus wird u.a. in
etlichen homöopathischen Rezepturen verwendet).
Die unkritische Akzentuierung von "Natur" ist letztendlich kontraproduktiv:
80% der in Europa gehandelten Heilkräuter stammen aus der Wildnis.
TRAFFIC, ein Artenschutzprogramm des World Wide Fund for Nature
(WWF), warnt bereits vor den Folgen.
Standardisierung
Natürliche Substanzen (Extrakte) mögen den "synthetischen/industriellen"
zwar manchmal überlegen sein, warten dafür jedoch mit anderer
Problematik auf. So können bereits die Rohstoffe (z.B. Ginkgoblätter) je
nach Land, Erntezeitpunkt, Wetter, Boden usw. in ihrem Wirkstoffgehalt
sehr stark schwanken, von der unfreiwilligen Befrachtung mit Herbiziden,
Pestiziden u.a. mal zu schweigen. Um einen gleichmäßigen Wirkstoffgehalt
zu erhalten, ist zusätzlicher Aufwand erforderlich, der mit dem Begriff
Standardisierung umschrieben wird: Jetzt kann der Produzent einen
bestimmten Gehalt (z.B. 25% Anthocyane) garantieren. Das macht sich
zwangsläufig im Preis bemerkbar, ist es jedoch wert.
NEBULÖSER MARKT
Es ist kaum ein Markt so undurchsichtig wie der der Pillen & Pülverchen.
Das fängt bereits mit der Abgrenzung von Arzneimittel,
Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel an. Erschwert wird dies
durch neue Produktgruppen wie z. B. "Functional Food" oder
abenteuerliche Wortschöpfungen, die nichts bedeuten.
Die sehr stark vertretene Pharmafront und deren zahlreiche
Interessenvertreter werfen dabei ebenso fleißig mit Nebelgranaten wie
die Produzenten von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Unkenntnis des
Verbrauchers wird gelegentlich geradezu schamlos ausgenutzt, und
überzogene Darstellungen gehören inzwischen schon fast zum guten Ton. Leider bestechen viele Hersteller vor allem durch ihre "juristischen Qualitäten" für Propagandazwecke und weniger durch fachliche oder pharmakologische.
Beispiele:
- Es ist juristisch völlig korrekt, wenn ein Hersteller auf seinem Produkt
z.B. 500 mg Magnesium angibt, auch wenn kein einziges Molekül des
Produkts für den Menschen verwertbar sein sollte. Entscheidend für die
Bioverfügbarkeit ist jedoch der elementare Anteil, und der kann nur noch
ein Bruchteil sein.
- Es ist rechtlich auch nicht anfechtbar, wenn ein Produzent z.B.
100 mcg Selen angibt, von denen jedoch nur die Hälfte überhaupt
angerechnet werden kann. Selen ist nämlich immer an eine Trägersubstanz
gebunden (z.B. Selenmethionin), und bei diesen und ähnlichen Angaben ist
es "üblich", das Gewicht von Selen und seinem Träger anzugeben.
Andere Hersteller beziehen sich wiederum nur auf den elementaren Anteil,
d.h., der Gesamtgehalt wird erst gar nicht angegeben. Vorsicht also bei
Preisvergleichen!
- Es gibt immer wieder Angebote, bei denen man sich nur wundern
kann. 850,- DM für insgesamt 2 gr Coenzym Q10 sind nicht verständlich;
aber 14,90 DM für die gleiche Menge, bei einem anderen Hersteller eben
auch nicht. Coenzym Q10 kostet im Großhandel pro Kilo etwa 2.500,-
bis 4.500,- DM; zwei Gramm kosten also mindestens 5, - DM.
Berücksichtigt man die weiteren Verarbeitungs- und Vertriebskosten, die
erheblich sind, dann ist Skepsis angebracht.
Man hüte sich dabei vor Milchmädchenrechnungen: Zwar kosten viele
Inhaltsstoffe nur Pfennige, aber die Verarbeitung zum Endprodukt
(Verkapselung, Abfüllung, Dosen, Etiketten usw.), Vertrieb, Werbung u.
v. a. m. lassen die Kosten explodieren. Legt man den Kilopreis im
Großhandel zu Grunde so mag der Inhaltsstoff eines Produktes wie 5,- DM
betragen. Bis dieses Produkt jedoch auf dem Ladentisch steht, kostet es
z. B. 80,- DM. Dabei mag sogar noch sehr knapp kalkuliert worden sein.
Es verhält sich ähnlich, wie ein neuer 60.000, - DM Wagen, der nur
20.000,- DM kosten soll: Wer würde da nicht stutzig werden?
- Völlig undurchsichtig kann es bei den Heilpflanzen werden. Hier muss
der Konsument sehr genau lesen. Bezieht der Hersteller seine Angaben
auf die Pflanze (z.B. Ginsengwurzel) oder einen Extrakt (Konzentration?)
oder den eigentlichen Wirkstoffen (das wären bei Ginseng die Ginsenoide)
oder macht der Hersteller womöglich gar keine nachvollziehbare Aussage
dazu?
Aber auch wenn man etwas Ahnung von der Sache hat und
Inhaltsangaben zu deuten weiß, ist man vor "Beschiss" nicht sicher.
Wobei jede Nation gewissermaßen eigene Gesetzeslücken nutzt.
So ist es in Deutschland bei vielen frei verkäuflichen Heilpflanzen
(Johanniskraut, Baldrian) schon fast üblich, dass sie nicht wirken. Das
geht auch nicht anders: Laut Gesetz fallen praktisch alle wirksamen
Dosierungen unter das Arzneimittelgesetz. Folglich wurde in einer
Untersuchung festgestellt, dass es in Deutschland nur ein einziges
Johanniskrautpräparat mit einer wirksamen Dosierung gab - und das
war rezeptpflichtig.
Andere Länder, anderer "Schmu": Zwar dürfen in den USA wesentliche
höhere Dosierungen als in Deutschland frei verkauft werden, aber dafür
ist in den US-Produkten oft nicht drin was auf den Etiketten draufsteht.
In einem Test der Los Angeles Times (8/98) enthielten von den
untersuchten Johanniskrautpräparaten nur 20% genau das, was auf dem
Etikett angegeben war.
- Ein sehr beliebtes Spiel ist der Hinweis auf ein oder mehrere Patente.
Das klingt gut und bedeutet unter Umständen weniger als nichts. Generell
kann man auf ein Naturprodukt wie z.B. einem Vitamin, einem Hormon
oder Kuhmilch kein Patent erwerben. Wohl aber kann man ein
bestimmtes Herstellungsverfahren patentrechtlich sichern lassen. Für sich
gesehen hat es für den Konsumenten im Regelfall keinerlei Bedeutung,
wie etwas hergestellt wird - solange das Ergebnis identisch ist.
Überspitzt formuliert: Wenn es darauf ankommt einen Nagel in die Wand
zu hauen, dann kann man dies einfach, schnell und preiswert mit einem
Hammer erledigen oder mittels eines hoch komplizierten, sündhaft teueren
Gerätes, das patentiert ist. Im Patentverfahren wird nicht geprüft, ob die
"Erfindung" irgendeinen Segen für die Menschheit darstellt. Der größte
Blödsinn ist schon patentiert worden.
Es ist sogar für Fachleute oft schwierig raffinierte pseudo-wissenschaftliche
Dichtung (Werbeaussagen) von Wahrheit zu unterscheiden. Dem Laien,
dem die Fakten oftmals nicht zugänglich sind, hilft nur ein sehr kritischer
Blick auf die Wortwahl.
Lobeshymnen wie "sofortiger Erfolg", "einmalig", "geheimnisvoll" usw.
sind Worthülsen.
Hinweise auf wissenschaftliche Untersuchungen sollten zumindest
überprüfbar sein. Es ist schon ärgerlich genug, dass viele wissenschaftliche
Untersuchungen von dubiosen Quellen kommen oder allzu einseitig
ausgelegt werden und im Grunde nichts wert sind.
Waberige Aussagen wie "kosmische Kräfte", "blutreinigend", "befreit von
Giften" usw. sind mit Vorsicht zu genießen.
Behauptungen aller Art, die sich auf irgendeine Erkenntnis beziehen, die
angeblich nur diese Firma hat oder nur dieses Produkt berücksichtigt,
sollte man in aller Regel gleich wieder vergessen. Es gibt im
wissenschaftlichen Bereich der NEM kein "Geheimwissen". Entweder ist
es allgemein bekannt, dass dieses oder jenes soundso wirkt - oder
unbewiesen.
Allheilmittel, die angeblich jedem und/oder bei jeder Krankheit helfen, gibt
es nicht und wird es wohl auch nie geben. (Nicht zu verwechseln mit
allgemeinen Stärkungsmitteln, wie z.B. Ginseng. Stärkung ist nicht gleich
Heilung). Alle Diätprodukte oder -pläne, die eine größere
Gewichtsabnahme als 1-2 Pfund pro Woche garantieren, wirken - wenn
die Ausssage überhaupt stimmt - kontraproduktiv (Jojo-Effekt).
Man hüte sich vor Fern-Schnell-Gut- oder gar Laiendiagnosen aller Art!
Nicht umsonst haben Fachärzte eine 12-jährige Ausbildungszeit hinter
sich - und sind dennoch nicht gegen Irrtümer und Fehldiagnosen gefeit.
In Sachen Heilung mögen auch an sich hervorragende Ärzte irgendwann
am Ende ihres Lateins und Selbsthilfe angebracht sein. Aber in Sachen
Diagnose hüte man sich vor falschen Propheten.
KOSTEN UND ERSTATTUNG
Hochwertige Nahrungsergänzungen haben ihren Preis. Allerdings gilt auch
hier, dass nicht alle teuren Produkte deswegen ihren Preis wert sind. Man
tut in der Regel gut daran alle hochtrabenden Werbeaussagen zu streichen
und sich nur auf die Inhaltsstoffe zu konzentrieren.
Eine hochwertige Nahrungsergänzung macht in der Regel nur Sinn, wenn
man sie regelmäßig, konsequent und dauernd zuführt. Von einigen
Ausnahmen abgesehen, die auch kurmäßig zugeführt werden können,
bedeutet die Entscheidung zur Substitution eine lebenslange Ergänzung.
Das kann ins Geld gehen. Ob man von einem hochwertigen Produkt aus
Kostenersparnis nur einen Teil der empfohlenen Dosis täglich zu sich
nimmt oder lieber gleich ein preiswerteres Produkt kauft, ist auch
Ansichtssache.
Grundsätzlich wehren sich die Kassen gegen die Kostenübernahme von
Nahrungsergänzungen - auch wenn sie angebracht sind. Verständlich,
denn zu Ende gedacht, kann das - wenn es Schule macht - den Konkurs
des Systems nach sich ziehen. Dennoch übernahmen bisher manche
Kassen die Kosten für z.B. einen hochwertigen "Basisnährstoff".
Voraussetzung war, dass der behandelnde Arzt es verschrieb bzw. den
therapeutischen Einsatz empfahl.
Es konnte sich also auszahlen, wenn man hier etwas Aufwand investierte
und gemeinsam mit seinem Arzt vorging. Nicht zuletzt wegen der
lautstarken Vermarktung mancher Organisationen (wie z.B. des Dr. Rath
Netzwerks) wurden jedoch sogar die kulanten Kassen zurückhaltender.
Vor allem wenn (teure) Medikamente dadurch reduziert werden können
und/oder Nebenwirkungen gängiger Medikamente nicht mehr akzeptabel
sind, wird man eher auf offene Ohren stoßen. Es spricht sich - gottlob -
allmählich herum, dass z.B. Coenzym Q10 die Einnahme der üblichen
(Blut-hochdruck-)Medikamente zu senken vermag. Allerdings ist
Coenzym Q10 auch nicht preiswert.
Letztendlich wird sich jeder damit auseinander setzen müssen, ob und
inwiefern er sich die Verantwortung für sein Leben aus der Hand nehmen
lässt und/oder wie weit Kostenargumente gehen dürfen. Selbstredend
kann eine dauernde Substitution ein empfindliches Loch in die
Haushaltskasse reißen. Aber die Institution, die einem die Entscheidung
darüber abnimmt, was man für seine Gesundheit übrig haben soll und wie
viel einem das wert sein sollte - die gibt es nicht.
DIE TÄGLICHE NAHRUNG
Nahrungsergänzungen - und seien sie noch so hochwertig - ersetzen
keineswegs einen vernünftigen Umgang mit der eigentlichen Nahrung.
Zwar kann man sich mehr "Schnitzer" oder "Sünden" bei der täglichen
Nahrungszusammenstellung erlauben, wenn man eine gute Basis an NEM
zu sich nimmt, aber als "Nahrungsersatz" darf dies nicht gesehen werden.
Als Grundlage gilt eine so genannte "ausgewogene Ernährung". Hierbei
hat sich das DGE-Pyramidenmodell weitgehend durchgesetzt. Siehe auch
NAHRUNG.
[NEMDoks Magazin]
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